Fremdkörper im Wohngebiet

Thorsten Peters

Ausschusssitzung vom 16.09.2024

Eigentlich ist es ein vollkommen klarer, einfacher Fall, der diese Woche im Bauausschuss beraten wurde: Ein Bauer hatte in den 80ern sein Grundstück (Litscherweg 2) seiner Glaubensgemeinschaft vermacht, dem Verein St. Josef e.V. („Rosenkranzkirche“). Dieser stellte dann einen Bauantrag für ein Schwesternwohnheim, der auch genehmigt wurde. Die Stadt und die Anwohner staunten nicht schlecht, als kurz darauf auf diesem Grundstück statt dem Wohnheim eine kleine Kirche stand. Diese Täuschung zeigt exemplarisch, mit welcher Rücksichtslosigkeit der Verein seine Interessen verfolgt. Es war der erste Rechtsverstoß des Vereins und weitere sollten folgen.

Eine Kirche mag in einem Wohngebiet durchaus ihre Berechtigung haben, soweit sie dort eine breite Anhängerschaft hat. Ähnlich wie ein Bäcker oder ein Lebensmittelgeschäft dient die Kirche dann der „Versorgung“ der Anwohner. Das ist aber hier nicht der Fall, denn die Anhänger reisen von weit her an und stammen gerade nicht aus der Nachbarschaft. Es kommt, wie es kommen muss: Die Kirche wird als Fremdkörper zu einem fortwährenden Ärgernis für den Stadtteil. Sonntags sind die verwinkelten Straßen gefährlich eng zugeparkt (Feuerwehr und Rettungswagen kämen kaum noch durch), die häufigen Feierlichkeiten im Garten teils mit Festzelt und Trampolin stören die Nachbarn und das penetrante Glockengeläut nervt das ganze Viertel.

Die Entscheidung der Stadt in den 80ern, die Kirche an diesem Ort zu dulden, erwies sich als falsch. Konsequenterweise lehnte die Stadt bisherige Bauanträge zur Erweiterung immer ab. Klagen dagegen hatten vor Gericht keinen Erfolg, weil der rechtsverbindliche Bebauungsplan hier ein Reines Wohngebiet festsetzt.

Im August 2020 wagt der Verein erneut einen Versuch und fragt an, ob ein Erweiterungsbau möglich sei. Anstatt das wie bisher entschieden abzuweisen, rät ihm die Stadt aus unerklärlichen Gründen, einen Antrag auf Änderung des Bebauungsplans zu stellen. Das macht er im Februar 2021. Im wesentlichen soll damit das Gebäude um einen Versammlungsraum vergrößert und ein Nebengebäude abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden.

Die Stadtverwaltung muss die leidige Sachlage und Historie vergessen haben, denn sie empfiehlt dem Gemeinderat tatsächlich, auf diesen Antrag einzugehen. Der Gemeinderat kommt der Empfehlung nach und die Stadt macht sich daran, allein für dieses eine Grundstück einen neuen Bebauungsplan zu entwerfen. Dieser ist Ende 2023 fertig und umfasst zusammen mit Begründung und Gutachten fast 100 Seiten (später kommt sogar noch eine 41-seitige schalltechnische Untersuchung dazu). Der Plan legt erstmalig fest, dass hier „Kirchen und kirchlichen Zwecken dienende Gebäude und Einrichtungen“ zulässig sind. In der Begründung steht: „Ziel der Planung ist es, die Kirche am vorhandenen Standort zu erhalten und zukunftsfähig aufzustellen.“ Damit würde das Problem zementiert werden.

Es kommt die Phase der Veröffentlichung und Beteiligung der Öffentlichkeit. Wie nicht anders zu erwarten, prasselt es Widersprüche aus der Nachbarschaft. Spätestens jetzt sollten sich Stadtverwaltung und Gemeinderat an die Problemlage erinnern oder neu darauf aufmerksam werden. Doch statt dessen werden die Widersprüche in der „Abwägung“ stumpf abgebügelt. Um das begonnene Vorhaben durchzuziehen, in das bereits unzählige Arbeitsstunden und Kosten investiert wurden, rettet sich die Verwaltung mit dem Argument, dass damit zusätzliche Stellplätze geschaffen würden und so das Parkproblem gemildert werde.

Doch auch das entpuppt sich bei genauerer Hinsicht als falsch. Während der Architekt im letzten Jahr noch die falsche Aussage vor dem Bauausschuss machte, dass durch die Planänderung 10 weitere Stellplätze hinzu kämen, hieß es diese Woche, dass es sechs Plätze mehr werden. Tatsächlich wurde aber schon bisher der Platz vor und hinter dem Grundstück häufig mehr als zulässig zum Parken genutzt. Dort wo der neue Plan sechs neue Stellplätze nördlich des Gebäudes vorsieht, parkten schon bisher zehn Wagen wie ein Blick auf die Luftaufnahme zeigt. Auch südlich des Gebäudes gibt es schon jetzt einen unerlaubt angelegten langen und breiten Parkstreifen, der mehr als die vorgeblichen fünf Autos aufgenommen hat. Anwohner berichten von 25 und mehr Autos, doch die Stadt stellt sich in der Abwägung (Seite 26) dumm: „Nach unserem bisherigen Kenntnisstand befinden sich auf dem Grundstück aktuell 10 Stellplätze“. Wenn also bisher die Parksituation unzureichend war, wird das auch künftig so sein.

Als Stadtrat habe ich gelobt, das Wohl der Einwohner nach Kräften zu fördern. Wie könnte ich dem also zustimmen? Ich richte mich nicht gegen die freie Religionsausübung und von mir aus „soll jeder nach seiner Façon selig werden“. Doch wenn es nachweislich zu Konflikten führt, dann sollten die behoben statt persistiert werden. Wenn Stadt und Gemeinderat das Wohl der Einwohner im Sinn haben, sollten sie den Verein St. Josef e.V. dabei unterstützen, einen geeigneteren Ort zu finden und dann das Grundstück zu verkaufen. Die evangelische Kirche verlor im letzten Jahr 600 Tausend Mitglieder, die katholische 400 Tausend. Ihre Kirchen wurden schon in Moscheen umgewidmet oder stehen zum Verkauf. Da sollte sich doch etwas passendes finden lassen.